Shmuel Shapira ist als Hutmacher ein Spätberufener. Er steht jetzt zwar schon seit über zehn Jahren als Meister in seiner Biedermeier – Werkstätte in einem Hinterhaus am Anfang der Mariahilfer Strasse. Doch der 45-jährige kommt aus Jerusalem und hat dort in einer Jeschiwa, einer höheren Schule für jüdische Studien, eine ganz andere Art der Ausbildung genossen. Die Freude an handwerklicher Arbeit konnte er jedoch schon dort entwickeln, indem er die kostbaren, alten Bücher reparierte und ihnen neue Einbände fertigte.

Als er vor bald 25 Jahren nach Wien kam, hatte er mit handgemachten Hüten nichts am Hut, sondern verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst in einem ganz anderen Feld. Als „Maschgiach“, als Kontrolleur, überwachte er in verschiedenen Lebensmittelbetrieben, ob diese auch den strengen Vorschriften koscherer Produktion entsprachen. Dabei lernte er auch die Ställe der niederösterreichischen Bauern und die Hallen kleiner Molkereien kennen, von denen die gläubigen Wiener Juden mit Milchprodukten versorgt wurden.

Eine Fügung des Schicksals führte ihn in die Branche der Hutmacher. Er wollte seinen eigenen, großen, schwarzen „Schabbeshut“ reparieren lassen, weil dieser schon etwas aus der Form geraten war und jemand schickte ihn in die Mariahilfer Strasse, zur Firma Szaszi. Dort arbeitete damals Meister Caletka – einer der letzten und auch einer der bekanntesten Hutmacher in Wien. Shapira schnupperte in die düstere, verwinkelte Werkstatt hinein und was er sah, faszinierte ihn.

Auch der angesehene Meister fand Gefallen an dem neugierigen jungen Mann. Caletka hatte trotz intensiver Suche noch keinen Nachfolger für seine Hutmacher – Werkstatt gefunden, nun bot sich ihm plötzlich ein später Lehrjunge an. Also brachte Herr Caletka diesem Schritt für Schritt die Kunst des Hutmachers bei, weihte ihn in die Geheimnisse der Branche ein. Als der Lehrmeister überraschend einen Schlaganfall erlitt, übertrug er dem Schüler die Werkstätte.

Shapira legte am Wiener Wirtschaftsinstitut die notwendige Meister - Prüfungen der Hutmacher ab und erinnert sich, dass die Innung ihm hilfreich entgegen kam. So durfte er, da sein Deutsch noch nicht so gut war, die Fragen in seiner Sprache beantworten, die Antworten wurden dann übersetzt. Er schaffte alle Examina und verbringt nun jeden Tag in seiner altmodisch – gemütlichen Werkstätte, stets beschäftigt, mit Kunden, Lieferanten, Handwerkern, Freunden und guten Bekannten. Seine Arbeit unterbricht er nur für die täglichen, regelmäßigen Gebete.

Für Damen arbeitet Herr Shapira, der Meister des besonderen Hutes, nur in den seltensten Ausnahmefällen – dieses Geschäft ist in Händen der Modistinnen besser aufgehoben. Er bittet auch jene Damen, die mit ihren Partnern in sein Atelier kommen, nicht böse zu sein, wenn er ihnen nicht die Hand reicht. Das sei weder eine persönliche Beleidigung, noch eine frauenfeindliche Geste – strenggläubige Juden bieten Damen wohl eine freundliche Begrüßung, doch aus religiösen Gründen nie die Hand zum Gruß.